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it-bereich:severusschrift_-_von_der_gabe_der_tugenden

Von den Tugenden

Und es vergingen viele Tage und Jahre auf der Welt, doch fehlte die Ordnung und das Recht und die Menschen lebten in Dunckelheyt und viele kehrten sich ab von den Ewgen und ergaben sich dem suendhaften Leben

Da erwaehlte Acrulon der gestrenge Herr ueber die Welthen, oberster Richter und Fuerst, einen Mann, genannt Severus, der drohte sich von den Ewgen abzuwenden, deszen Herz und Geist Acrulon aber als starck und unbeugsam erkannt. Und er sprach zu seinem Diener:

‚Severus Irinius aus dem Stamme der Limester, Dich erwaehle ich, in diesen Zeyten der Nacht, da das Dunckel sich ueber die Welt ausbreytet. Du sollst meyn erster Diener werden und meyne Macht und Herrlichkeyt und die der Ewgen kuenden und den Menschen den Glauben zurueckbringen, denn Dein Herz iszt starck und Dein Wille unbeugsam. Doch ein Keim der Dunckelheyt iszt ebenfalls in Dir, daher will ich Dich pruefen und wiegen und Dich lehren die Tugenden. Denn mit Ihnen beginnt die Ordnung und das Recht und damit die Herrschaft der Ewgen. Es sind sechs an der Zahl und lang und beschwerlich iszt der Weg der Entbehrung, doch labend wartet auf Dich am Ende die Oase ewiger Erkenntnis und Froemmigkeyt. So willst Du Dich meinem Worth beugen und meinem Befehl gehorchen?‘

Und wie Severus diese Worthe hoerte, da fiel er auf die Knie und sprach ‚Acrulon lo vult. Ego Obtempero!‘

Und Acrulon sah, dasz seine Wahl gut war und er sprach ‚Nimm diese hoelzerne Sonne als Zeychen unseres Bundes. Dann geh nach Tyrikene, jener Oase im sandigen Meer, wo die Unglaeubigen und Frevler wohnen und sage ihnen, dasz sie fuenf Tage und Naechte Zeyt haben, ihre Frevel zu bereuen und um Tilgung ihrer Suendlast zu bitten von Dir. Und Du sollst Ihnen vergeben. Aber Du sollst nichts zu Essen und nichts zu Trincken von Ihnen annehmen und im Freien schlafen. Und Du sollst Dich nicht verfuehren laszen von ihnen oder irgendetwas annehmen. Wisse, dasz Du dort allein bist und ich Dir nicht helfen werde. Kuende ihnen von meinen Worthen und sey mein Bote. Und wenn Du am sechsten Tage gehst, dann blick Dich nicht um!‘

Und wie Acrulon gesprochen, da nahm Severus die hoelzerne Sonne und ging nach Tyrikene und lang war sein Weg und er duerstete als er die Wueste durchschritt. Und als er die suendhafte Stadt erreichte, sah er die Pracht und den Uebermasz, der dort herrschte und wie sich die Menschen labten an allen Dingen und es achtlos wegwarfen, was uebrig war. Und mit trockenem Munde kuendete er die Botschaft seynes Herrn Acrulon und bot den Menschen die Tilgung ihrer schweren Suendlasten an. Doch es vergingen fuenf Tage und Naechte, ohne dasz einer zu Severus gekommen waere und niemand hoerte seynen Worthen zu oder schenckte ihm Beachtung. Viele aber spotteten ihm und Acrulon, einige aber brachten ihm Speysen und Traencke und stellten sie vor ihm hin, damit er sich daran laben konnte. Und der Hunger und Durst quaelte Severus und wurde mit jedem Tag und jeder Nacht staercker und Severus zweyfelte an sich und ueberlegte von den sueszen Speysen zu nehmen und vom labenden Weyne zu trincken. Und in seyner Verzweyflung warf er sich nieder und flehte zu Acrulon, dieser moegen ihn erloesen. Doch nichts geschah und die Versuchung wuchs in Severus. Die anderen aber aus Tyrikene spotteten ueber ihn noch mehr und mahnten ihn, dasz dies ein Zeychen sey, dasz Acrulon ihn verlaszen habe. Severus aber bestand wider die Versuchung und am sechsten Tage ging er aus der Stadt ohne sich umzublicken. Und wie er die Stadtmauern hinter sich gelaszen, da hoerte er eyn Tosen und Toben wie von tausenden Armeen und ein Wehschreyen und Klagen und Flehen, welches alsbald verstummte. Nach einiger Zeyt aber erreychte er eine kleyne Oase, wo niemand lebte und labte sich am Wasser und an den Speysen, die dort auf ihn warteten. Und Acrulon sprach zu ihm ‚Isz und trincke meyn Diener und labe Dich. Wisze, die erste und vornehmste Tugend iszt die Demuth vor den Ewgen, denn sie ordnen alles, jede Welt und bringen sie ins Lot. Wer aber den Ewgen durch Worthen oder Taten spottet, den zermalmen sie, denn er traegt den Keim der Unordnung und Zerstoerung und Verrohung ins sich. Sey deszen stets eingedenck! Demuethig sey der Mensch vor den Herren und Fuersten der Welt. Willst Du dies vergegenwaertigen?‘.

Und wie Acrulon gesprochen, da fiel Severus auf die Knie und sprach ‚Acrulon lo vult. Ego Obtempero!‘

Und Acrulon sah, dasz seine Wahl gut war und er sprach ‚Geh nach Lysbrin bis zu dem Tore im Sueden der schwarzen Veste. Auf Deinem Weg aber, gedencke unseres Bundes. Fehle ihn nicht, was auch immer es Dich kosten mag. Sey ohne Furcht, auch wenn es Deinen Todt bedeuten mag.‘

Und wie Acrulon gesprochen, da ging Severus und machte sich auf den Weg nach Lysbrin und wie er fuenf Tage und Naechte gewandert auf dem beschwerlichen Wege, da kam ein Reiter hinter ihm und der Reiter fragte ihn, wohin er wolle und wie Severus, der muede und erschoepft ob der Strapazen, des beabsichtigten Weges geantwortet, dasz er naemlich nach Lysbrin gehe, da erwiderte der Reiter, er wolle ihn mitnehmen dieses langen beschwerlichen Weges fuer ein kleines Unterpfand, denn Severus solle ihm die hoelzerne Sonne geben. Als Severus aber sprach, dasz ihm dies unmoeglich, da gab der Reiter dem Pferd die Sporen und preschte davon und Severus muszte den langen Weg alleyn fortsetzen. Nach weyteren fuenf Tagen gelangte Severus an ein Haus am Wegesrand und da die Nacht hereinbrach, bat er um Einlasz und Unterkunft. Der Wirt aber sprach, da er die Kleydung des armen Mannes sah und das Zeychen seiner Glaeubigkeyt, dasz dies ein Haus Almoris sey, des Goetzen, der frueher, in jenen Tagen viel verehrt wurde und dasz er ihm nur Einlasz und Unterkunft gewaehren koenne, wenn er, Severus, seinem falschen Glauben abschwoere. Und wie der Schaenker gesprochen, da erwiderte Severus, dasz ihm dies unmoeglich sey und er ging weiter und schlief in tiefer Nacht im Wald unter den Woelfen, die zu Lech sangen, und so fand Severus kaum Ruhe. Schließlich erreychte er nach fuenfzig Tagen das Tor im Sueden des schwarzen Molochs – Lysbrin – Veste der duncklen Herren und als er sich diesem naeherte, erreychten ihn fuenf Reyter, gepanzert und geguertet und zwangen Severus auf die Knie, da sie das Zeychen des Bundes erblickten. Da sprach der Anfuehrer der Reyterschar, Severus solle das Zeychen ablegen und seynem Herrn abschwoeren und die Ewgen verdammen, ansonsten werde er ihn an den Pfahl binden und verbrennen. Da geriet Severus in Zweyfel und Feigheyt erklomm sein Herz und seinen Geist und er betete zu Acrulon, doch nichts geschah und er ermahnte sich der Worthe, welche der ewige Richter gesprochen. Und da erwiderte er zu dem Anfuehrer, dasz er dies nicht vermochte und lieber sterben wolle, als dasz er die Ewgen verhoehnen wolle oder seynen Eid brechen. Da ergriffen ihn die Reiter und banden ihn und holten Holz und Reisig herbei, denn der Goetze Almoris verlangte zu dieser Zeyt, dasz alles Ketzerwerck verbrannt werde. Und die Reyter boten Severus ein letztes Mal an, sich zu loesen von seinem Bunde, doch Severus blieb standhaft und unbeugsam und wie sie den Haufen entzuendeten, da schrie Severus nicht, denn er verspuehrte keinen Schmerz ob der Glut und Flammen, die ihm nichts anhatten, denn Acrulon, der Ewge hielt seine schuetzende Hand ueber seinen Diener. Doch wie das Feuer wieder erloschen und die Fesseln verbrannt und Severus sich unversehrt daher von dem Pfahle loeste, da zuckten fuenf Blitze aus den Himmeln und trafen die erschreckten und vor Erstaunen erstarrten Reyter und toeteten sie auf der Stelle. Severus aber setzte seinen Weg fort und fand bei dem groszen Tore vor der Veste Unterschlupf in einem Hause, welche sich Almoris widersetzte und den Ewgen Treu geblieben war und dort ruhte er und traeumte und der Herr Acrulon erschien ihm und sprach ‚Ruhe nun meyn treuer Diener Severus. Wisze, die zweyte, vornehme Tugend iszt die Treue mit mir und den Ewgen, denn der Bund soll niemals gebrochen werden, jetzt nicht und zu allen Zeyten, denn wer den Bund bricht, durchschneydet das ewige Band, welches den Weg zeygt in unsere Hallen. Feigheyt und Eidbruch aber zerreiszen die Bande zwischen den Ewgen und den Menschen und auch zwischen den Menschen untereinander, denn sie tragen den Keim des Misztrauens in sich und ehrlos wird, wer so handelt oder denckt. Sey deszen stets eingedenck! Treu sey der Mensch mit den Herren und Fuersten der Welt. Willst Du dies vergegenwaertigen?‘.

Und wie Acrulon so im Traume erschienen, da erwachte Severus, so als sey er neu geboren aus dem tiefen Schlaf und fiel auf die Knie und sprach ‚Acrulon lo vult. Ego Obtempero!‘

Und Acrulon sah, dasz seine Wahl gut war und er sprach zu seinem Diener‚Geh nicht in die schwarze Feste, sondern sieh zu dem Berg Elgaroth im Westen, dem schneebedeckten Grimmblick auch genannt. Geh dorthin und steyge hinauf und errichte mir einen Altar zu Ehren aller Ewgen. Nimm dies Solmarterium und stell es auf den Altar, denn es iszt meyn Zeychen. Dort oben wirst Du mir so nahe seyn wie nirgend sonst auf Erden. Nur die wuerdig sind, vermoegen den Gipfel zu erreychen, die anderen aber ereylet der eisige Todt. Dort wirst Du mich schauen von Angesicht zu Angesicht und doch wirst Du nicht erkennen. Verzweyfele nicht in dieser duestersten Stunde, denn ich mache die Tauben hoeren, die Stummen sprechen und die Blinden sehen! Gedencke stets dieser Worthe‘.

Und wie Acrulon so gesprochen, da nahm Severus das heylige Zeychen seines Herrn aus Gold und Glas geformt und ging zu dem Berg im Westen und schickte sich an den Gipfel zu erklimmen. Doch wie er in hohe Hoehen vorgedrungen, da ward es so eisig und frostig und der Firn betaeubte seyne blancken Fuesze und vor Schmerz wollte Severus aufschreyen, doch die Kaelte hatte seyne Stimme verschluckt und daher kehrte er noch vor dem Gipfel um. Am Fusze des Berges aber betete er und verzweyfelte, da Acrulon ihn nicht erhoerte. Nur die Sonne strahlte fern vom Gipfel. Severus aber lag im Schatten des Berges und spuehrte die Dunckelheyt und seyn Fehlen. Am naechsten Morgen aber schickte er sich an erneut den Berg zu erklimmen und wie er weyter als am ersten Tage gekommen und dem Gipfel schon so nah, da kam ein gewaltiger Sturm auf, ein Tosen und Winden, ein Toben und Donnern, so als sey das Ende der Welt nah. Nachdem der Sturm aber vorrueber, vermochte Severus nichts mehr zu vernehmen, denn er war taub. Selbst den Schrey des Adlers konnte er nicht hoeren. Da kehrte er um zum Fusz des Berges. Dort aber betete er und verzweyfelte, da Acrulon ihn nicht erhoerte. Nur die Sonne strahlte fern vom Gipfel. Severus aber lag im Schatten des Berges und spuehrte die Dunckelheyt und seyn Fehlen. Am naechsten Morgen aber begab er sich wieder auf den Berg und wie er weyter hinaufstieg durch schmerzendes Eis an seinen Fueszen und dem tosenden Sturm trotzend, der ihm ins Gesicht blies, da erklomm er endlich den Gipfel, warf sich zu Boden, errichtete einen Altar und stellte das Zeychen des Herrn darauf. Und wie er sich niederwarf um zu beten, da wanderte die Sonne um den Berg und ihr Schein strahlte durch das kristallene Glas des Zeychens und Severus blickte hinein. Da spuehrte er, dasz es der Herr selbst war, der ihn schaute und dasz er ihm so nah war wie kein anderer Mensch. Und wie er so blickte in das leuchtende Licht, da wurden seine Augen verbrannt und weisz und es ward dunckel und da wuszte er, dasz er nicht erkannt hatte und verzweyfelte hierob. Doch da er nun blind und taub und stumm, da glaubte er nicht mehr von dem Gipfel hinunter zukommen und er schrie jenen stummen Schrey der wahrhaft Glaeubigen. Da aber vernahm er Acrulons Stimme und dieser sprach zu ihm ‚Erhebe Dich, meyn Diener. Du sollst hoeren, sprechen und sehen! Wisze, die dritte, vornehme Tugend iszt die Disciplin der Menschen. Was auch geschieht, der Mensch soll sich dem Schicksal nicht beugen, sondern den Weg fortsetzen, den die Ewgen ihm offenbart. Nur dann wird er Lob, Trost und Erloesung finden. Denn die Ewgen sind gut zu jenen, die den Weg bis ans Ende gehen. Ein jeder Mensch aber traegt den Keim des Unwillens in sich und der Traegheyt. Sprieszet dieser so wird er seyn Ziel niemals erreychen und er verbleybt im Schatten des Hoeheren. Sey deszen stets eingedenck! Die Disciplin iszt des Menschen Stock auf dem Weg zu ewgem Heile. Willst Du dies vergegenwaertigen?‘.

Und wie Acrulon gesprochen, da fiel Severus auf die Knie und sprach ‚Acrulon lo vult. Ego Obtempero!‘. Und da erhob sich Severus und er konnte hoeren und sprechen und er fuehlte den Weg, denn seine Augen blieben weisz, wie die des hoechsten Richters selbst, doch er sah nun mit dem Herzen und dem Geist und seyn Schritt und Tritt waren sicherer als jemals zuvor.

Und Acrulon sah, dasz seine Wahl gut war und er sprach ‚Geh nach Anatheis, meyn Diener. Dort wo die Weisen sind, die einem falschen Goetzen dienen. Sieh, was sie tun, hoere, was sie sagen, lies was sie schreyben und dann entscheyde was geschehen soll. Mehr vermag ich Dir jetzt nicht zu offenbaren.‘

Nachdem Acrulon gesprochen, ging Severus, wie ihm befohlen nach Anatheis, der Staette der Weisen. Dort war viel Unruhe und Unfrieden, denn viele Gelehrte saszen dort und schrieben, lasen, sprachen und hoerten zu. Und doch verstanden sie einander nicht, denn sie verehrten Achtaros, einen Goetzen, der sich emporgeschwungen hatte, in jenen Tagen. Und Severus las fuenf Jahre in den Buechern und Schriften und er sah die Unordnung und den Irrsinn darin. Dann legte er die Schriften beiseyte und schaute den Alchemisten und Hexenmeistern fuenf Jahre zu und er erkannte, dasz ihr Wircken und Treyben sinnlos war von alter Arth und Weyse und hohl und leer. Da wandte er sich von ihnen ab und setzte sich in die Runde der tausend Stimmen und hoerte fuenf Jahre, was sie sprachen und erzaehlten. Doch es war nur Narretey, die er hoerte und ein jeder sprach in anderen Zungen. Da hoerte er auf, ihnen sein Ohr zu schencken. Da erblickte Severus schließlich einen unter den Weysen, deszen Name Horus war, der nicht in den Wercken des Goetzen las, sondern eine schlichte Schrift ueber Maewon, den Hueter des Schicksals und Herrn des Wiszens, Acrulons Bruder. Und er ging zu ihm und sprach und alle Weysen verstummten. ‚Ihr Weysen der Welth, wiszet, dasz alles was ich hier gesehen, nichts iszt auszer hohlem, leeren Spott vor den Ewgen und das die Schriften Irrsinn sind und Euer Reden Narretey. Er aber, er hat verstanden, was der Sinn und Zweck der Welth iszt, daher sage ich hoert ihm zu. Dann verbennt all diesen Unsinn und lenckt Euer Wercken auf die wahrhaft wichtigen Dinge der Welth‘. Und da erhob sich Horus und sprach von Maewon, vom Schicksal und der Gabe der Ratio an die Menschen, von dem Streben nach Wiszen und Erkenntnis. Und da erkannten die anderen Weisen ihre Fehler und dasz sie einander nicht verstanden, da sie in vielen Zungen gesprochen und sie gingen hin und verbrannten die Schriften, hoerten auf mit dem sinnlosen Wercken und sie sprachen fortan in der gleichen Zunge und hoerten auf Horus von Anatheis, welcher Maewons Saeule auf Erden errichtete.

Horus aber kam zu Severus und sprach ‚Wisze Severus, was Dein Herr mir aufgetragen, Dir zu berichten. Wohl hast Du getan, Diener des gestrengen Herrn. Denn wisze, die vierte, vornehme Tugend iszt die Vernunft des Menschen. Sie iszt das Licht auf dem Weg zu den Hallen der Ewigkeyt. Der Mensch soll von Narretey und Irrsinn ablaszen, denn sie sind die Pfade in die Nacht. Sey deszen stets eingedenck! Willst Du dies vergegenwaertigen?‘.

Und wie Horus gesprochen, da wandte sich Severus gen Sonne und fiel auf die Knie und sprach ‚Acrulon lo vult. Ego Obtempero!‘

Und Acrulon sah, dasz seine Wahl gut war und er sprach selbst zu seinem Diener ‚Severus, mein Diener. Geh nun nach Lysbrin. Geh in schwarze Veste und verurteyle all jene, die Du fuer verdammungswuerdig haeltst. Doch wenn Du dort fuenf wahrhaft Reuige findest, dann vergib diesen und dann errichtet dort einen Tempel zu Ehren der Ewgen. Auf drei Saeulen soll sein Dach ruhen, eine zu Ehren meines Bruders Maewon, eine zu Ehren meiner Schwester Myrn und eine zu meinen Ehren und alle drey sollen von gleycher Arth und Beschaffenheyt sein. Denn dies iszt mein Wille. Findest Du aber keine fuenf wahrhaft Reuige, dann verlasze die Stadt und wende Dich davon ab. Schau nicht zurueck und geh zum Meer‘.

Und wie Acrulon so gesprochen, da ging Severus erneut nach Lysbrin, zu dem schwarzen Tore und betrat die Stadt und was er sah war schauerlich, denn schlimmer noch als in Tyrikene, beteten die Menschen zu Lech, der schwarzen Pest und suhlten sich in Suend und Freveln, gaben sich der Wollust und der Trunckenheyt hin, vergewaltigten einander oder schlugen andere um deren Hab und Guth willen tot. Und so zog Severus durch die Stadt und er hoerte sich die Reden und den Spott an. Einem jeden aber offenbarte er die Worthe der Ewgen und insbesondere das Heil, welches Acrulon versprochen. Doch niemand wollte sich seiner Worthe annehmen, denn Lech’s Einflusz war grosz in dieser Stadt und so brandmarckte er viele der Menschen von Lysbrin mit seinem Urtheyl. Schließlich aber waren nur noch fuenf Menschen uebrig, die Severus noch nicht befragt hatte. So erschien ein Mann vor ihm, der Acrulon und die Ewgen verleugnet hatte Tag um Tag, Jahr um Jahr, und als dieser die Worthe Acrulons hoerte, da fiel er auf die Knie und bat um Vergebung. Und als Severus ihm ins Herz blickte, da sah er, dasz es aufrichtig war und zeychnete das Haupt des Mannes mit dem Symbol Myrns, denn barmherzig iszt die Mutter und sie vergibt vielen Frevlern und Suendern. Am naechtsen Tage kam ein Weyb zu ihm, dasz ihren Mann hintergangen hatte und den Bund der Ehe schmaehte und auch diese fiel auf die Knie als sie die Worthe hoerte und reuig warf sie sich nieder und flehte um Tilgung ihrer Suenden. Und da Severus ihr ins Herz blickte und ihre wahrhaftige Reue erkannte, da vergab er ihr, so wie es die Ewgen ihm aufgetragen. Am darauffolgende Tage erschien ein Fuerst vor Severus, der hatte viele andere Lande gepluendert und sich bereichert an deren Hab und Gut und seine Gier ward maszlos gewesen, doch da er die heyligen Silben hoerte, warf er sich nieder, warf alles Gold und allen Schmuck von sich und flehte um Vergebung. Und Severus sah des Fuersten Innerstes und er legte ihm die Hand auf und vergab ihm seine Fehlungen. Sodann erschien eine Hexe, die der schwarzen Cunst nachging und die Toten nicht ruhen liesz. Doch als sie die Worthe aus Severus Munde hoerte, da schwor sie der schwarzen Cuenste und dem Hexenwercke ab und reuig warf sie sich nieder und Severus tilgte ihre Suenden und Makel durch das Zeychen Maewons, des Herrn des Schicksals. Als letztes aber trat der Herrscher von Lysbrin vor Severus, der deszen Herz traege geworden war durch die einschmeichelnden Worthe Lech‘s und der Gewalt und Verrohung in der Stadt zuliesz. Und als auch er die reinigenden Worthe vernommen, da fiel er auf die Knie und bat um Vergebung und Severus schaute tief in sein Herz und das des Fuersten und er sah, dasz seine Reue wahrhaftig war. Da vergab ihm Severus und sprach ‚Nun, da ich Fuenf wahrhaft Bekehrte in dieser Stadt gefunden habe, will ich den Tempel zu Ehren der Ewgen errichten und Ihr sollt mir dabei helfen.‘. Und gerade als Severus so gesprochen, da zog ein tosender Wind von Staub und Sand und Flammen durch die Stadt und vertilgte alle, die Severus verurtheylt hatte und verschonte nur Severus und die, denen er vergeben hatte. Und sie warfen alle Goetzenbilder und Statuen Lech‘s ueber die dunckle Mauer und errichteten den neuen Tempel zu Ehren der Ewgen, wie Acrulon es aufgetragen. Und als sie geendet, da erstrahlte das gleiszende Licht der Sonne und viele Glaeubige stroemten aus allen Teylen des Landes in die Stadt, um den Ewgen zu huldigen.

Da sprach Acrulon zu Severus ‚Du, Severus sollst der Patriarch dieses Tempels sein und ihm vorstehen und die Worthe der Ewgen verkuenden. Und fuer jede Saeule sollst Du Dir einen Vertreter erwaehlen und ihr sollt alle aufnehmen und ihnen Schutz bieten, die darum wahrhaftig bitten und ihnen soll Schutz vor jedermann gewaehrt werden, gleich wer es iszet. Denn dies iszt die Guethe und Barmherzigkeyt Myrns. Denn wisze, die fuenfte, vornehme Tugend iszt die Barmherzigkeyt des Menschen gegenueber den anderen Menschen. Sie iszt der irdische Schluessel, der am Ende des Weges den Einlasz in der Ewgen Reych gewaehrt. Sey deszen stets eingedenck! Willst Du dies vergegenwaertigen?‘.

Und da Acrulon gesprochen, da fiel Severus auf die Knie und sprach ‚Acrulon lo vult. Ego Obtempero!‘

Und so wurde Severus, der erste Vorsteher des Tempels zu Lysbrin, welches von da an Lynbrunne genannt ward, da hier der Quell ewiglicher Erkenntnis entspringt und die Glaeubigen sich hieran laben sollen.

So also iszet der Wille der Ewgen!

Demuethig sey der Mensch vor den Ewgen! Denn Demuth iszt Ordnung und Recht.

Treu sey der Mensch mit den Ewgen! Denn Treue iszt das Band, welches den Weg in der Ewgen Hallen offenbart.

Disciplin sey des Mensch Ansporn Tag und Tag! Denn schwerlich und buerdenreych iszt der Weg.

Vernunft sey dem Menschen das Licht, welches den Weg erhellet! Denn blind sie die Menschen im Dunckeln und der Nacht, die die Welt nicht begreifen.

Barmherzig sey der Mensch zu allen anderen Menschen! Denn sie iszt der Schluessel zu der Pforte am Ende des Weges, welche in die Halle der Ewgen Einlasz gewaehrt.

Und so wird ein jeder von uns am Ende aller Zeyten gewogen werden und wer fuer zu schwer befunden, der wird in den Tiefen des trennenden Stromes versincken zu ewiger Nacht verdammt.

Dies iszet meyn Vermaechtnis. Severus Irinius Primus.

it-bereich/severusschrift_-_von_der_gabe_der_tugenden.txt · Zuletzt geändert: 2010/10/17 21:51 von morbus