Consuetudines Acrulonis Solcherarth Regularium des Hohen Bruderbundes des Ordens des gleyszenden Lichts
Capitulum Primum
I. Wie die Frates am Dienste Acrulons teylwircken sollen.
Item, Ihr, die ihr euerem eygenen Willen entsaget, und die anderen, die mit euch fuer das Heyl ihrer Seel’ mit Worth und Geyszel dem hoechsten Koenig auf Zeyt dienen, seyd allezeyten bestrebet, mit frommen und reynem Gemuethe, die Matutin und den ganzen vollstaendigen Dienst nach dem Liber Sanguis und der Gewohnheyt der Stiftsherren des heyligsten Tempels zuzuhoeren. Deshalb ehrwuerdige Frates iszet es eure groeszte Pflicht, weyl ihr versprochen habt, das fahle Licht des jetzigen Lebens und die Qualen und Martern eures Coerpers gering zu schaetzen und aus Liebe zu Acrulon dem eynen und ewgen gleyszenen Lichte die wilde Welt fuer immer zu verachten. Durch die ewge Speyse gestaerket und gesaettigt und in den Geboten des Hoechsten Lichts unterwiesen und gefestigt soll sich nach Vollzug der ewgen Mysterien keyner unter Euch fuerchten, in die Schlacht zu ziehen, vielmehr bereyt sein fuer die Tafel des Hoechsten.
II. Wie vieliglich Prugatia Lucis die Frates beten sollen, wenn sie am Dienste nicht teilwircken koennen.
Uebrigens, wenn ein Frater in Geschaeften der Eccelsia in fernen, heydnisch Landen unterwegs iszet, was ohn Zweyfel oefters vorkommt, und deshalb den heyligen Dienst nicht mitfeyern kann, soll er fuer die Matutin dreyzehn Gebete des Hoechsten beten und fuer die einzelnen Horen sieben, jedoch fuer die Komplet neune, was wir gutheiszen und eynmuetig mit deutlicher Stimme bekraeftigen. Diejenigen aber, welche zu Heyl bringendem Auftrage entsandt, nicht zur entsprechenden Stunde zum heyligen Dienste kommen koennen, sollen, wenn es moeglich iszet, von der verpflichtenden Anordnung die festgesetzten Horen nicht uebergehen.
III. Was nach dem Todt eines Frater zu tun ist.
Wenn einer von den Frates den Todt, der niemanden schont, anheim faellt, dem sich zu entziehen unmoeglich ist, befehlen wir den Mitbruedern und Klerikern, die bei euch auf Zeit dem hoechsten Koenig aus Liebe dienen, Acrulon, das schuldige Offizium und die Messe feierlich fuer die Seele des Verstorbenen reynen Herzens darzubringen. Die Frates andererseits, die da anwesend sind und in Gebeten fuer das Heyl des verstorbenen Bruders die Nacht glaeubig ausharren, sollen einhundert Gebete der Ewgen bis zum siebenten Tage fuer den verstorbenen Bruder verrichten; desgleychen soll von jenem Tag an, wo ihnen das Ableben des Frater bekannt wird, bis zum vorgenannten Tage in bruederlicher Ehrerbietung die Hundertzahl zur unversehrten Vollendung gehalten werden. Dazu allerdings bitten wir aus ewiglicher und barmherziger Liebe und befehlen aus ewgegebener Vollmacht, dasz taeglich soviel an Speyse und Tranck, als sie einem lebenden Bruder, soviel zu dessen Lebensunterhalt noetig ist, gegeben wurde oder geschuldet wird, einem Armen bis zum vierzigsten Tage gewaehrt werde. Alle anderen Opfergaben, die beim Tode von Bruedern und am Feste des heyligen Ulpian und an anderen Festen des hoechsten Richters die freywillige Armut der armen Bruderschaften ohne Unterschied darzubringen pflegte, verbieten wir gaenzlich.
Capitulum Secundum
IV. Brueder und Kleriker erhalten nichts auszer Unterhalt und Kleydung.
Mit wachsamer Sorge ordnen wir in Einheyt mit dem allgemeinen Capitel an, andere Opfergaben und Almosen aller Arth, welche auf irgendwelche Weyse den Bruedern und anderen, die auf Zeyt bei euch weylen, geschenket werden, zurueckzugeben. Die Diener der Ecclesia sollen nach ewiglichem Willen nur Nahrung und Kleydung haben und sonst nichts zu besitzen begehren, es sey denn, der Abt oder Prior wuerde ihnen solche freywillig aus Freundlichkeyt geben.
V. Was nach dem Todt eines auf Zeit Dienenden gethan werden soll.
Es gibt Laienbrueder im Hause Acrulons und seynes Tempels, die aus Barmherzigkeit auf Zeyt mit euch leben, daher bitten wir euch aus unaussprechlichem Erbarmen, fordern und befehlen zuletzt ausdruecklich: wenn waehrend der Zeyt die ewigliche Macht einen Laienbruder zum letzten Tage gefuehrt hat, soll aus ewiglicher Liebe und fraterlichem Mitleyd fuer die Seele des Verstorbenen ein Armer sieben Tage den Unterhalt erhalten und ein Jeder soll dreiszig Gebete zu Ehren und zum Lobpreys Acrulons beten.
VI. Ordensbrueder sollen keine Geluebde machen.
Wir bestimmen, wie oben gesaget, dasz kein Ordensbruder irgendein Geluebde abzulegen sich anmasze, vielmehr Tag und Nacht mit reynem Herzen in seinem Versprechen verharre, damit er sich in diesem vergleichen kann: ‚Ich will die reynigende Geiszel wider meynen frevelhaften Coerper erheben‘, das heiszet, in meinem Leyden die Seele reynigen von den Freveln und Miszgedancken der Welt, und wie Severus der Erste und Gruender der Ecclesia Acrulonis, welcher den Koenig und Herrn, den maechtigen Richter und Strafer erblicket, bereyt seyn, seyn Leben fuer die Mitbrueder hinzugeben. Das ist ein geziemendes Geluebde, das ist ein lebendiges und ewgefaelliges Opfer.
VII. Wann man beim Dienst zu Ehren der Ewgen stehen oder sitzen soll.
Es iszet uns aber durch ueberaus glaubwuerdige Zeugen zu Ohren gekommen, dasz ihr offenbar regellos und ohne Masz das ewigliche Officium im Stehen anhoert. Dasz dies so gehalten wird, haben wir nicht angeordnet, wir missbilligen es in hoechstem Masze. Wir befehlen, dasz nach beendigtem Ritus „Venite exultemus domine“ mit dem Inivitatorium und dem Hymnus sich alle, die Starcken wie die Schwachen, setzen, um ein Aergernis zu vermeyden. Wir legen euch dar, dasz ihr, wenn ihr schon sitzet, am Schluss eines jeden Ritus beym Vortrag des ‚Gloria Acrulon et pax homini„ von euren Sitzen erhebet und euch zum Altare zur Verehrung des Hoechsten wendet, waehrend die Schwachen sich verneygen. So schreiben wir auch das Stehen beim Vortrag des ‚Ex atramenti‘ und beym ‚Acrulon laudamus‘ und fuer die gesamte Laudes bis zum ‚Benedicamus Domino‘ am Schlusz vor und befehlen, die selbe Regel in der Matutin des heyligen Severus zu halten.
VIII. Vom gemeinsamen Mahl.
Wir gestatten, dasz ihr in einem gewiszen Masze, besser gesagt im Refectorium, die Mahlzeyten gemeynsam einnehmet, jedoch dasz ihr um das was euch noetig sein mag, wegen der Unkenntnis der Zeychen gelaszen und unauffaellig bitten sollt. So iszet zu jeder Zeyt das, was euch erforderlich ist, mit aller Demuth und ehrfuerchtigen Unterwerfung zu erbitten, vor allem bei Tisch wie der der heylige Marcinius sagt: ‚Isz deyn Broth unter Schweygen‘. Und der Spruch sollt euch ermuntern: ‚Ich habe eine Wache meynem Mund gesetzt‘, das heiszt, ich habe bey mir erwogen, ‚dasz ich mit der Zunge nicht fehle‘, das heiszt, meinen Munde bewahre, um nicht uebel oder geschwaetzig zu reden.
IX. Beim Frueh- und Abendmahle soll eine heylige Lesung vorgetragen werden.
Beim Fruehmahle und beym Abendmahl soll immer eine heylige Lesung vorgetragen werden. Wenn wir naemlich den Herrn lieben, mueszen wir nach seinen Heyl bringenden Worthen und Vorschriften mit dem aufmerksamsten Ohr verlangen. Der Vorleser der Lesungen soll euch anweysen, stillschweygen zu halten.
X. Vom Fleischgenusze.
In der Woche wahrlich, wenn nicht ein Tag des Herrn oder eyn Heylstag, Fest- oder Busztag iszet oder das Fest des Groszen Frevels trifft, mag euch dreymaliger Fleischgenusz genuegen, weyl der gewoehnliche Fleischgenusz oder Verzehr als eine wenn auch nicht unanstoeszige Verderbnis des Coerpers angesehen wird. Wenn jedoch ein solches Fasten auf den Mittruh faellt und das Fleischeszen unterlaszen wird, dann soll euch am folgenden Tage reychlich verabreycht werden. Es scheynt uns unzweyfelhaft guth und angemessen, an Herzogsehr und Koenigsehr jedoch zu Ehren der heyligen Auferstehung der Ecclesia den Ordensbrueder, desgleichen den Laienbruedern zwey Fleischportionen zu geben. Die anderen jedoch, naemlich die Knechte und das Gesinde, sollen mit einer unter Dancksagung zufrieden sein.
XI. Ueber die Ordnung bei den Mahlzeyten.
Bei Ermangelung der Naepfe sollen sie allgemeyn zu zweyt eszen und der eine soll eifrig fuer den anderen sorgen, damit weder rohe Lebensarth noch heimliche Enthaltsamkeit beim gemeinsamen Mahle sich einschleiche. Wir halten es jedoch fuer billig, dasz ein jeder Frater und Laienbruder ein gleych groszes Masz Wein oder Bier fuer sich alleyn habe, es sey denn der Frater oder Laienbruder habe fuer sich das Geluebde zu Ehren des Almartus abgeleget, dann soll er sich genuegsam mit Wasser und Broth abfinden.
XII. An den restlichen Tagen sollen zwey oder drey Gemuesegerichte genuegen.
Wir sindt der Ansicht, dass an den anderen Tagen naemlich, und zwar am Leyet und Mittruh wie auch am Fronhdey zwey oder drey Gerichte von Huelsenfruechten oder anderen Speysen, oder so genannte gekochte Zuspeyse, allen genuegt; und wir bestimmen es so zu halten, damit derjenige, der von einem Gericht nichts eszen kann, sich von dem anderen ernaehre.
XIII. Was an Herzogsehr gegessen werden soll.
Wir heiszen es gut, wenn an Koenigsehr der gesamten Congregation, abgesehen von der Schwaeche der Krancken, zur Verehrung des Hoechsten Herrn eine einmalige Fastenspeyse genueget.
XIV. Nach der Mahlzeyt sollen sie Danck sagen.
Wir ordnen unaufloeslich an, dasz nach der Fruehmahlzeyt, dem Mittagsmahle und nach dem Abendmahle im Sanctuarium, wenn es nahe iszet, oder wenn das nicht der Fall ist, am selben Orthe Acrulon, unserem hoechsten Richter und Erhalter, mit demuethigem Herzen, wie es sich gebuehrt, Danck zu sagen. Die Ueberbleibsel sollen aus bruederlicher Liebe an die Knechte, Diener und das Gesinde wie auch an die Armen verteilt werden, die nicht angebrochenen Brothe aber aufbewahrt werden.
XV. Der zehnte Teyl des Brothes soll immer dem Almosenpfleger gegeben werden.
Wenn auch der Lohn der Armuth, welcher naemlich die Tafel der Ewgen iszet, ohne Zweyfel den Armen zuteyl wird, so befehlen wir euch, die der acrulonische Glaube ueber jene unzweyfelhaft belehret, dennoch, den zehnten Teyl des Brothes taeglich dem Almosenpfleger zu geben.
XVI. Zu welcher Zeyt Ihr aber das Chorgebet begehen sollt.
So iszt es seyt altersher Sitte und Gebrauch und daher recht und billig, dasz die Frates und Laienbrueder zu bestimmten Zeyten am Tage zusammentreten sollen zum gemeynsamen Chorgebet und Lobpreys Acrulons des eynen Hoechsten. Gemaesz dem Worth des heyligen Severus, welchem der Herr selbst erschien ‚Betet ohn Unterlasz!‘ sowie dem heyligen Mahnspruch ‚Sechsmal am Tage singe ich Deyn Lob und nachts stehe ich auf, um Dich zu preysen‘, sollt ihr beten: die Vigil oder Matutin zum Anbruch des Tages, die Laudes zur neunten Morgenstunde, die Prim zur Mittagsstunde, die Terz zur dritten Nachmittagsstunde, die Sext zur sechsten Stunde des Nachmittags, die Non zur neunten Stunde des Abends und die Komplet um Mitternacht.
XVII. Ihr sollt zwischen den Chorgebeten in Clausur beten
Wie denn so das Chorgebet gemeynsam begangen werden soll, so soll hernach eyn jeder Frater in Clausur gehen und in der abgeschiedenen Stille seyner Celle zum Hoechsten um deszen Gnade beten; dies im mindesten einmal zwischen den Chorgebeten. Die Laienbrueder aber sollen nur beten, wenn sie ihr Tagwerck verrichtet haben.
XVIII. Die Collation liegt im Belieben des Abtes.
Wenn die Sonne die oestliche Region verlaeszt und zur winterlichen hinabsteiget, sollt ihr alle auf das Glockenzeychen, wie es in der betreffenden Gegend Brauch iszet, zur Non schreyten. Doch wir wuenschen, dasz vorher eine allgemeine Collation eingenommen wird. Wir stellen diese Collation der Entscheydung und dem Gutduenken des Abtes anheym, so dasz sie, wenn dieser es will, als Wasser und, wenn er aus Barmherzigkeyt gestattet, aus gemischtem Weyn oder Biere angemessen zu sich genommen wird. Tatsaechlich darf dies aber nicht zu uebermaesziger Saettigung oder Sorglosigkeyt fuehren, vielmehr sey sie recht sparsam, denn ‚der Wein bringt sogar die Weysen zum Abfall vom Glauben‘.
XIX. Nach beendeter Komplet ist Schweygen zu halten.
Nach Beendigung der Komplet iszet danach zu Bett zu gehen. Fuer die aus der Komplet gehenden Brueder gibt es ausdruecklich keyne Erlaubnis, mit jemandem in der Oeffentlichkeyt, auszer bey zwingender Notwendigkeyt, zu sprechen. Der, der seinem Mitbruder etwas zu sagen hat, soll es leyse sagen. Vielleycht kommt es vor, dasz in diesem Zeytabschnitte eine hoechst zwingende Dringlichkeyt im Bestandt eures Hauses, weil fuer dieses der Tag euch nicht ausreichend schien, von euch, die ihr aus der Komplet kommt, fordert, dass sich der Abt selbst oder der, dem nach dem Abt das Regiment des Hauses, also der Prior oder Vorsteher, anvertraut iszet, mit einem Teyl der Brueder bespricht. Wir gebieten, dasz es also geschieht, denn es steht geschrieben: ‚Bey vielem Reden entgehst du der Suende nicht!‘. In jeder Besprechung verbieten wir ausdruecklich leychtfertige Spaesze, albernes und zum Lachen reizendes Geschwaetz. Denn Lachen iszet dem Menschen unwuerdig. Dasz Getier lacht, der Weyse und Ewgefaellige nicht. Und euch, die ihr eure Schlafstellen aufsucht, geben wir auf, in Demuth und reyner Ergebung ein ‚Liberate me‘ zu sprechen, wenn einer etwas Toerichtes gesagt hat.
XX. Erschoepfte brauchen zur Vigil oder zur Laudes nicht aufzustehen.
Einmuetig heiszen wir es guth, wenn erschoepfte Frates allerdings, wie es uns offenbaret iszet, sich zur Vigil nicht erheben, sondern mit Zustimmung des Abtes oder Priors oder dessen, dem das Amt vom Abt sonst uebertragen wurde, liegen bleiben. An Stelle der Vigil haben sie jedoch dreyzehn festgesetzte Gebete so zu singen, dasz deren Sinn mit der Stimme uebereinstimmt nach dem Mahnworth: ‚Singet Acrulon zu Ehren in Weysheit‘, und jenem: ‚Im Angesichte der strafenden Geyszel will ich dir singen‘. Allerdings musz das immer in das Belieben des Abtes gestellet seyn.
XXI. Die Gemeinsamkeyt der Lebensweyse soll unter den Frates gewahrt werden.
In der heyligen Schrift des Severus heiszet es: ‚Jedem wurde davon so viel zugeteylt, wie er noetig hatte‘. Damit wollen wir nicht sagen, dasz es ein Ansehen der Person geben darf, vielmehr wende sich die Aufmerksamkeyt den Kranken zu. Ueberall jedoch soll der, der also weniger braucht, Acrulon dancken und sich nicht betrueben. Wer aber mehr braucht, demuethige sich wegen seiner Armseligkeyt und ueberhebe sich nicht, weil man auf ihn Ruecksicht nimmt. Auf diese Weyse bleiben alle Glieder in Frieden. Wir verbieten jedoch, dasz es einem gestattet sey, sich uebermaesziger Enthaltsamkeyt hinzugeben, vielmehr soll er sich standhaft an das gemeinsame Leben halten.
XXII. Von Stoff und Arth der Kleydung.
Wir gebieten, dasz die Gewaender immer von einer Farbe seyen, roth oder sozusagen weynroth. Allen Laienbruedern gestatten wir aber, im Sommer des ersten Jahres ihrer Laienbruderschaft wenn moeglich weisze Gewaender zu tragen, damit sie zu erkennen geben, dasz sie, die ihr dunckles Leben hinter sich gelassen haben, durch ihr lauteres und lichtes Leben sich mit ihrem Herrn, Acrulon, der gleiszenden Sohne versoehnt haben. Was ist die weisze Farbe anderes als die reyne Keuschheyt? Die Keuschheyt ist die Sicherheyt des Geystes, die Gesundtheyt des Coerpers. Denn wenn irgendein Laienbruder nicht keusch bleyben sollte, wird er nicht zur ewigen Ruhe gelangen und die Tafeln der Ewgen schauen koennen nach dem Zeugnis des heyligen Severus: ‚Strebt nach Eintracht mit allen und nach Keuschheyt, ohne die keiner die Ewgen schauen wird‘. Weil die Kleydung aber vor der Hochschaetzung jedweden Duenkels und Ueberfluszes bewahren soll, bestimmen wir, dasz solches von allen gehalten werde, dass der Einzelne sich leicht an- und auskleiden und die Schuhe an- und ausziehen kann. Der Verwalter dieses Amptes moege mit wachsamer Sorge zu vermeyden trachten, zu lange oder zu kurze Gewaender auszugeben, vielmehr soll er solche den Traegern, ihrer Groesze entsprechend, angemessene, seinen Bruedern austeylen. Der, der neue erhaelt, soll die alten immer gleych zurueckgeben, die in der Kammer oder wo immer nach Entscheyd des Bruders, der das Ampt inne hat, fuer die Knechte und das Gesinde und manchmal fuer die Armen zurueckzulegen sind.
XXIII. Das Gesinde soll keyne rothen Farben tragen, dasz heiszt Maentel nicht haben.
Allerdings widersprechen wir entschieden dem, was in manchen Abteyen und Prioreyen ohn Entscheydung und Beschluss eines gemeinsamen Capitels eingeriszen ist, und gebieten es wie einen eigentuemlichen Miszstand gaenzlich abzuschaffen, denn es hatten Knechte und Maegde rothe Gewaender, wovon verdammenswerthe Unertraeglichkeyten herruehrten. Es traten naemlich in den Laendern jenseits der Berge falsche Brueder, Verheyratete und andere auf und sagten, sie seyen vom Tempel Acrulons, obwohl sie von der Welt waren. Diese verschafften freylich den dortigen Abteyen und Prioreyen so viel Schmach und Schande, wie auch einige dienende Brueder in uebermuetigem Stolze sehr viel Aergernis entstanden lieszen. Sie sollen deshalb staendig Kleydung haben, welche nicht von rother Farbe, wenn sie solche aber nicht auftreyben koennen, sollen sie solche tragen, wie sie sie in jener Provinz, wo sie leben, auftreyben koennen oder was billiger von einer Farbe beschaffet werden kann, naemlich braune.
XXIV. Nur Frates sollen rothe Maentel haben.
Niemandem iszet es gestattet, in den Abteyen, Prioreyen und Cloestern rothe oder weisze Umhaenge zu tragen oder rothe oder weisze Maentel zu tragen, als den oben genannten.
XXV. Die alten Kleydungsstuecke sollen an die Knechte verteylt werden.
Der Verwalter, dasz heiszt der Ausgeber der Kleydung, also der Drapier, soll mit aller Sorgfalt darauf achten, die alten Kleydungsstuecke immer an die Knechte und das Gesinde und dann und wann an die Armen ehrlich und gerecht auszugeben.
XXVI. Nur Schaffelle sollen verwendet werden.
Durch gemeinsamen Beschlusz bestimmen wir, dasz kein Frater im Winter andere Felle oder Pelzwerk oder etwas Aehnliches, was zum Wohle des Coerpers gehoeret, auch nicht eine Zudecke haben solle, auszer aus dem Fell von Laemmern oder Schafen.
XXVII. Wer nach Besserem verlangt, soll das Minderwertigere haben.
Wenn ein Frater durch Schuld oder Antrieb der Ueberheblichkeit Schoeneres und Besseres zu haben begehrt, soll er wegen solcher Anmaszung ohne Zweifel das Billigste verdienen. Und ob seyner Anmaszung willen, soll er zehn Stockhiebe erhalten, auf dasz er sich seynes Frevels eingedenck sey. Denn Demuth iszt die hoechste Tugend.
XXVIII. Auf Menge und Qualitaet der Kleydungsstuecke soll geachtet werden.
Es iszet erforderlich, auf die Anzahl der Kleydungsstuecke hinsichtlich der Coerpergroesze und -dicke zu achten; der Drapier sey in diesen Dingen sorgfaeltig.
XIX. Der Drapier soll auf die Gleichheyt der Gewaender achten.
Der Drapier soll mit bruederlicher Eynsicht, wie oben gesagt, auf die Laenge der Gewaender mit gleichem Masze achten, damit keyn Auge von Fluesterern und Verleumdern etwas zu bemercken sich herausnehmen kann, und in allem Vorgesagtem vor Acrulon demuethig Rechenschaft ablegen kann.
XXX. Von der Haartracht.
Alle Frates sollen grundsaetzlich die Haare so geschnitten haben, dass sie von vorn und von hinten regelrecht und ordentlich anzuschauen sind. Auch beym Voll- und Backenbart soll diese Regel unabaenderlich beobachtet werden, damit keyn Wildwuchs oder Mangel an Anmuth dort bemercket werde. Denen, die dem hoechsten Richter aber dienen, ist die innere wie aeuszerliche Reinheyt sehr noetig nach dem Zeugnis dessen selbst, der sagt: ‚Seyet reyn‘, weil ‚ich reyn bin‘. Der Novize aber, welcher im ersten Jahre sich findet, soll die Tonsur tragen, auf dasz der Geyst Acrulons ihn leychter erreychen und seyne Seele reyn machen koenne, denn von innerer Reinheyt folget aeuszere.
XXXI. Von Schnabelschuhen.
Von Schnabelschuhen stehet fest, dasz sie heidnisch, laesterlich und eyne Narretey der Moderne sind und daher unnuetz, dasz dies von allen als unmenschlich erkannt wird; wir verbieten und untersagen, dasz jemand solche besitze, im Gegenteyl soll er sie ganz und gar abschaffen. Wir erlauben den Laienbruedern nicht, Schnabelschuhe und uebermaeszig lange Kleydung zu haben; dem widersprechen wir gaenzlich.
XXXI. Keiner darf den umsonst dienenden Knecht oder das Gesinde schlagen.
Wenn aber ein Knecht oder das Gesinde einer Abtey oder Priorey aus Liebe und um der ewgen mindersten Lohn dienet, iszet es den Frates und Laienbruedern nicht erlaubt, diese zu schlagen oder auch wegen irgendwelcher Schuld zu pruegeln.
XXXII. Keiner soll nach eigenem Willen ausgehen.
Es zieht sich allerdings fuer die Frates und Laienbrueder, die nichts anderes besser als Acrulon erachten, wegen des heyligen Dienstes , den sie gelobet haben, oder wegen der hoechsten Seligkeyt oder aus Furcht vor dem ewgen Dunckel, dem Atramentum, dem Abt oder Prior oder wer sonst dem Closter und seyner Gemeynschaft vorstehe unablaessig Gehorsam zu bewahren. Sie sind daher gehalten, dasz, sobald vom Abt oder demjenigen, dem der Abt den Auftrag erteylet hat, irgendwo irgendetwas befohlen wird, sie, wie wenn es durch ewigliche Weisung selbst angeordnet waere, in der Ausfuehrung keine Verzoegerung kennen. Von solchen sagt naemlich die ewige Wahrheit: ‚Sobald er mich gehoert hatte, gehorchte er mir‘. Deshalb bitten wir solche Frates und Laienbrueder, die auf den eigenen Willen verzichten, und befehlen ihnen eindringlich, dasz sie ohne Erlaubnis des Abtes oder dessen, dem das Ampt uebertragen iszet, sich nicht herausnehmen sollen, in die Stadt zu gehen auszer des Nachts zu heyligen Graeber und zu den Gebetsstaetten, die sich innerhalb der Stadt befinden. Die, die so ausgehen, sollen nicht ohne Waechter, dasz heiszt ohne einen anderen Bruder weder am Tage noch in der Nacht es unternehmen, den Weg zu beginnen. Durch gemeynsamen Beschlusz bekraeftigen wir also, dass in diesem von Acrulon eingesetzten Orden keiner nach seinem eigenen Willen handele oder ruhe, vielmehr sich ganz dem Befehle des Abtes unterwerfe, um imstande zu sein, jenem Worth des obersten Koenigs nachzueyfern, das sagt: ‚Ich bin das Worth und das Urtheyl, mir sollst Du folgen und gehorchen, um Deines Seelenheyl willen‘.
XXXIII. Von Gold und Silber.
Wir verbieten durchaus, dasz jemals ein Frater oder Laienbruder Gold oder Silber, die den Reychtum bezeichnen, selbst und zu eygen besitzet; auch iszet es keinem Frater oder Laienbruder erlaubet, solches zu kaufen. Wenn solche althen Stuecke allerdings als Geschenck gegeben werden, soll Gold und Silber dem Closter, also dem Abt oder Prior oder wer immer zur Leytung bestellet iszt, uebergeben werden. Wenn neue geschenckt werden, moege der Abt zusehen, was er damit mache.
XXXIV. Von der Vollmacht des Abtes.
Dem Abt oder Prior iszet es erlaubt, einem Frater oder Laienbruder eine beliebige Sache eines Beliebigen zu geben oder zu nehmen. Doch darf der, dessen Sachen vergeben wurden, sich nicht verdrieszen, weil er fuer sicher hielt; wenn er daher zornig werden sollte, vergehet er sich gegen Acrulon. Dieses von uns erlaszene Gebot iszet fuer alle von Nutzen, so dasz es in Zukunft unabaenderlich gehalten werde.
XXXV. Keiner soll tauschen oder erbitten.
Es eruebrigt sich jetzt, dasz keiner ohne Erlaubnis des Abtes oder Prior es wage, Bruder mit Bruder das Seinige auszutauschen und um etwas zu bitten, ausgenommen der Bruder vom Bruder, wenn es sich um eine kleine Sache von geringem Werth handelt.
XXXVI. Vom Erbitten und Empfangen.
Wenn jedoch in der Tath irgendeinem Bruder eine Sache, ohne dasz darum gebeten wurde, geschencket wurde, soll er sie dem Abt oder Prior zeygen. Andernfalls freylich, wenn sein Freund oder ein Elternteyl es nur ihm zu seinem Nutzen schencken wollen, soll er es durchaus nicht annehmen, bis er von seinem Abt oder Prior die Erlaubnis hat. An diese vorstehende Regel sind jedoch die Amtsverwalter nicht gebunden, denen dieser Dienst besonders oblieget und ueberlassen wird.
XXXVII. Vom Reysezeug.
Reysezeug mit einem Verschlusze iszet nicht gestattet; so moege dargelegt werden, dasz sie ohne Erlaubnis des Abts oder demjenigen, dem nach diesem das Ampt in Ordensangelegenheyten anvertrauet ist, nicht besessen werden duerfen. An diesem Capitel sind die Verwalter und die, die durch verschiedene Provinzen reysen, nicht gebunden, selbstverstaendlich auch nicht der Abt selbst.
XXXVIII. Das Senden von Briefen.
Auf keynen Fall iszet es einem Bruder ohne Erlaubnis des Abtes oder Stellvertreters erlaubt, von seinen Eltern oder von irgendeinem Menschen oder von anderen Mitgliedern des Ordens Briefe zu empfangen oder zu senden. Nachdem der Bruder die Erlaubnis erhalten hat, soll der Brief in Anwesenheit des Abtes oder des Prior, wenn es sein Wunsch iszet, vorgelesen werden. Wenn ihm allerdings von seinen Eltern etwas geschicket wird, soll er sich nicht herausnehmen, es anzunehmen, ohne den Abt vorher zu benachrichtigen. Dieses Capitel betrifft nicht den Abt und Amptsinhaber im Orden.
XXXIX. Vom Erzaehlen eigener Fehler.
Obwohl allgemeyn bekannt iszet, dasz jedes mueszige Worth Frevel wider die Ewgen ist, was werden die, die sich mit der eigenen Schuld bruesten, dem strengen Richter sagen? Der heylige Severus belehret uns, indem er mahnet: ‚So bleyb ich stumm und still, schwieg vom Guthen‘. Wenn man der Schweigsamkeyt zuliebe bisweilen sogar von guther Rede laszen soll, um so mehr muss man dann wegen der Suendenstrafe das boese Reden vermeyden. Wir verbieten also und untersagen ausdruecklich, dasz irgendein Bruder es wage, die Schandttaten oder besser gesagt die Torheyten, die er im weltlichen Dienst entgegen ewiglicher Norm begangen hat, sowie die Fleyscheslueste mit schlechten Frauen seinem Bruder oder irgendeinem anderen zu erzaehlen. Und wenn er einem anderen ihm solches erzaehlen hoert, soll er ihn veranlassen zu schweigen, oder, wenn er das leichter vermag, mit dem raschen Schritt des Gehorsams von dort weggehen und das Ohr des Herzens nicht einem Oelverkaeufer leyhen. Jedoch sind wir uns gewahr, dasz es dem ein oder anderen Linderung verschaffen mag, wenn er sich der Buerde entlastet, denn schwer liegt mancher Laster auf dem Geyste und der Seele. Und daher beschlieszen wir einmuetig, dasz in jeder Woche eynmal die Gemeynschaft des Closters im Refectorium zusammentreten soll und jeder in dieser Runde sich seyner Last entledige, auf dasz der Abt oder Prior entscheyden moege, welche Busze die angemeszene und rechte iszet.
XL. Keiner soll einen Vogel mit einem Vogel fangen.
Wir entscheiden allgemein, dasz keiner einen Vogel mit einem anderen Vogel zu fangen sich unterstehe. Es ziemet sich naemlich fuer einen Ordensmann nicht, weltlichen Ergoetzungen nachzugehen, vielmehr soll der die Gebote der Ewgen gern hoeren, sich oft zum Gebete niederwerfen, seine frueheren Frevel unter Traenen und Seufzen taeglich im Gebete zu Acrulon, dem Hoechsten bekennen. Mit einem Menschen, der so mit seinem Habicht oder einem anderen Vogel verfaehrt, soll kein Frater aus Grundsatz Umgang haben.
XLI. Die Jagd sollen sie meiden.
Da es sich jedem Ordensmanne ziemet, bescheyden und gesetzt ohne Lachen einherzugehen, wenige und ueberlegte Worthe zu sagen und kein Geschrey zu machen, legen wir besonders auf und gebieten jedem Frater und Laienbruder, dasz er nicht im Walde mit dem Bogen oder der Armbrust zu schieszen wage, auch nicht mit jenem, der solches tut, mitgehe, es sey denn aus dem Grund, ihn gegen die unglaeubigen Heiden durch seyn Worth und Zuspruch zu schuetzen. Denn es iszet klar, dasz ihr besonders beauftragt seyd und es eure Pflicht ist, fuer eure Brueder das Leben einzusetzen und auch die Unglaeubigen, die allezeyt dem Hoechsten feind sind, von der Erde zu vertilgen. Auch duerft ihr euch nicht erlauben, dem Bruder nachzugeben, zu schreyen oder zu schwatzen.
XLII. Hinsichtlich des Untieres, welches der Ketzers genannt, wird keine Bestimmung erlassen.
Ein Gebot hinsichtlich des Ketzers geben wir nicht, weil ‚dieser umhergeht und sucht, wen er verfuehre oder verschlinge‘, und ‚seyne Hand gegen alle, die Haende aller gegen ihn‘.
XLIII. Bei jeder Forderung an euch sollt ihr euch dem Urtheyl fuegen.
Wir wissen, dasz die Verfolger der heyligen Ecclesia unzaehlige sind und sich beeylen, diejenigen, die den Streyt nicht lieben, unablaeszig und grausam zu beunruhigen. Nach Ansicht des Hohen Conzils zu Lynsbrunns sey in klarer Betrachtung folgendes erwogen: Wenn einer in den Gebietsteylen des Reyches oder an einem anderen beliebigen Orth an euch irgendeine Forderung hat, so bestimmen wir, dasz das Urtheyl durch zuverlaessige und wahrheytsliebende Richter anzunehmen ist. Gleichermaszen ordnen wir an, das, was fuer gerecht erkannt wurde, unabaenderlich zu erfuellen.
XLIV. Ebenso soll ueber alle euch weggenommen Sachen verfahren werden.
Wir befehlen, dasz diese Regel bei allen euch unverschuldet entwendeten Guetern staendig gelten soll.
XLV. Von kranken Frates und anderen Bruedern.
Den Kranken soll vor allem eine wachsame Sorge zugewendet werden, als ob in Ihnen Acrulon selbst gedient werde, wie die Schriften sagen: ‚Ich war krank und ihr habt mich besucht‘. Das soll in treuem Gedaechtnis gehalten werden. Die Kranken naemlich sind sorgfaeltig und geduldig zu ertragen, weil man an ihnen unzweyfelhaft den ewigen Lohn erwirbt.
XLVI. Von den Krankenpflegern.
Den Krankenpflegern aber gebieten wir mit aller Hochachtung und wachsamer Sorge, dasz sie getreu und fleiszig den Kranken alles, was immer zum Ertragen der verschiedenen Krankheyten erforderlich iszet, nach dem Vermoegen des Ordens besorgen, zum Beispiel Fleysch und Gefluegel und so weiter, bis ihnen die Gesundheyt wiedergeschenckt ist.
XLVII. Keiner soll einen anderen zum Zorn reizen.
Offenbar musz man sich nicht wenig hueten, sich herauszunehmen, einen anderen zum Zorn zu bewegen, da die groeszte Friedfertigkeyt sowohl Arme wie Maechtige durch nahe Verwandtschaft und das Band uebernatuerlicher Bruederlichkeit gleichermaszen verbindet.
XLVIII. Von Verheiraten.
Wir erlauben euch nicht, verheiratete Brueder unter euch zu haben. Jedoch sey es dem verwitweten Manne gestattet in den Orden aufgenommen zu werden. Wer sich dennoch anschicket, sich zu verheyraten oder mit beym Weybe einzukehren, der macht sich eynes besonders schweren Frevels schuldig und soll dementsprechend wie es geschrieben und bestimmt iszet, hart und streng bestrafet werden, um seyner Seele willen und des Anspruchs auf Teylhabe an der Tafel der Ewgen Wir erachten es naemlich als ungerecht, dasz solche Maenner mit Bruedern, die Acrulon Keuschheyt versprochen haben, derartig in ein und demselben Hause leben sollten.
XLIX. Es ist hinfort nicht gestattet, Schwestern zu haben.
Es iszet gewisz gefaehrlich, weiterhin sich Schwestern anzuschlieszen, da der althe Feynd, welcher der Ketzer genannt, sehr viele durch den Verkehr mit Weybern vom rechten Pfade zur ewigen Tafel abgebracht hat. Deshalb, teuerste Brueder, sey es in Zukunft nicht gestattet, diese Gewohnheyt beizubehalten, damit die Bluethe der Reinheyt immer unter euch aufscheine.
L. Warum es nicht guth iszet, mit Ausgestoszenen Umgang zu haben.
Davor, liebe Brueder, sollt ihr euch sehr fuerchten und euch hueten, dasz keiner von den Dienern Acrulons mit einem Ausgestoszenen sonderlich und oeffentlich auf irgendeine Weyse in Verbindung trete oder sich anmasze, Dinge von ihm in Empfang zu nehmen, damit er nicht gleychfalls der Ausstoszung verfalle. Wenn es freylich nur ein mit dem Interdikt Belegter sein sollte, wird es ohne Verschulden gestattet sein, mit ihm Umgang zu haben und aus Liebe von ihm etwas anzunehmen.
LI. Auf welche Weise die Frates aufgenommen werden sollen.
Wenn ein Mann aus der Menge des Verderbens oder ein anderer Weltlicher, willens der Welt zu entsagen, euer gemeinsames Leben sich erwaehlen sollte, solle ihm nicht sogleych zugestimmt werden. Vielmehr sey ihm nach dem Worth des heyligen Severus: ‚Pruefet die Geyster, ob sie aus Acrulon sindt‘ eine Probezeyt zugestanden. Zunaechst soll der, der da aufgenommen werden will, dreye Tage und dreye Naechte an der Pforte des Closter verweylen und in Demuth betend und zu jeder heyligen Stunde soll er fuenfmal an die Pforte klopfen und Einlasz verlangen und sich erklaeren. Am vierten Tage aber, sollt ihr ihm Einlasz gewaehren. Hernach soll in seiner Gegenwart die Regel vorgelesen werden, und wenn der Betreffende den Geboten der erklaerten Regel eyfrig folgen will, dann soll er, wenn es dem Abte und den Frates gefaellt, ihn aufzunehmen, seinen Wunsch und sein Verlangen allen versammelten Bruedern mit reinem Herzen offenbaren. Darauf freilich soll die Dauer der Probezeit gaenzlich vom Guthduenken und der Umsicht des Abtes gemaesz der Ehrbarkeyt des Lebenswandels des Bewerbers abhaengen.
LII. Wann alle Brueder zum Rath einzuberufen sind.
Wir gebieten, nicht immer alle Brueder zum Capitel zu versammeln, vielmehr die, die der Abt fuer geeignet und im Rath umsichtig erkannt hat. Wenn er allerdings ueber Wichtigeres zu verhandeln wuenscht, was das gemeinsame Leben betreffe oder Ordensdinge selbst zu eroertern oder einen Bruder aufzunehmen, dann hat der Abt, wenn es ihm gefaellt, die ganze Congregation des Closters zusammenzurufen; nach dem gehoerten Rath des gemeinsamen Capitels soll das, was der Abt fuer besser und nuetzlicher ansieht, ausgefuehrt werden.
LIII. Wie die Brueder beten sollen.
Wir gebieten in gemeynsamen Beschlusz, dasz die Brueder stehend oder sitzend, je nachdem die Gemuets- oder Coerperverfassung es fordert, beten, immer jedoch mit hoechster Ehrfurcht und demuethig, einfaeltig und nicht schreiend, damit der eine den anderen nicht stoere.
LIV. Vom Geloebnis der Dienenden.
Wir haben zur Kenntnis genommen, dasz offenbar ziemlich viele aus verschiedenen Laendern, sowohl Herrschaft als auch Knechte, fuer ihr Seelenheil mit brennendem Herzen sich auf Zeit eurem Orden zu eigen geben. Es iszet daher nuetzlich, von ihnen, welche als Laienbrueder dienen sollen, ein Geloebnis zu verlangen, damit nicht etwa der althe Feynd ihnen im Dienste fuer Acrulon etwas verstohlen oder unschicklich einfluestere, um sie von ihrem guthen Vorhaben ploetzlich abzubringen.
LV. Wie Knaben aufgenommen werden.
Obwohl die Regel der heyligen Vaeter erlauben wuerde, Knaben in der Ordensgemeinschaft zu haben, billigen wir nicht, euch hinfort mit solchen zu belasten. Wer also seinen Sohn oder Verwandten auf immer dem Orden darbringen will, soll ihn bis zu den Jahren, da er dreyzehn Sommerlaeufe zaehlet, groszziehen. Darauf soll der Vater oder die Eltern ihn nach der Regel des heyligien Ulpian in die Mitte der Brueder stellen und sein Begehren allen offenbaren. Denn es iszet besser, in der Kindheyt noch kein Geluebde abzulegen, als es spaeter, zum Mann geworden, gegen die Regel zurueckzuziehen.
LVI. Wie die Greyse geehrt werden sollen.
Die Greyse mueszen in liebevoller Ruecksichtnahme auf die Hinfaelligkeyt der Kraefte ertragen und aufmercksam geehrt werden; keinesfalls sollen sie in ihren Anspruechen in dem, was dem Coerper noetig iszet, vernachlaeszigt werden bei gleychwohl unverletzter Autoritaet der Regel.
LVII. Vom Unterhalt und der Kleydung der Brueder.
Wir meinen auch, dasz es als entsprechend und vernuenftig zu halten iszet, allen Bruedern nach der Moeglichkeyt des Orthes gleichermaszen den Unterhalt zu gewaehren. Denn das Ansehen der Person bringt keynen Nutzen, aber die Ruecksichtnahme auf die Beduerfnisse der Kranken.
LVIII. Von den durch verschiedene Laender geschickten Bruedern.
Die Brueder, die durch verschiedene Laender geschickt werden, sollen in Speyse und Tranck und allem uebrigen die Regel, soviel in ihren Craeften stehet, einzuhalten trachten und untadelig leben, damit sie ‚bei Auszenstehenden einen guten Ruf haben‘, das religioese Geluebde weder durch Worth noch durch Tath beflecken, sondern vorzueglich allen, mit denen sie verkehren, im Vorbilde das Gewuerz einer gesunden Weisheyt und guther Wercke geben. Bei wem sie Herberge aufzuschlagen beschlieszen, der soll mit bestem Ruf gezieret, sein , und wenn es moeglich ist, soll das Haus ihrer Herberge in der Nacht nicht des Lichtes entbehren, damit der finstere Feynd keine Gelegenheyt zu Boesen ihnen verschaffe, was Acrulon verhuete. Wo sie aber hoeren, dasz sich nicht andere Glaeubige versammeln, dorthin heiszen wir sie, nicht so sehr den zeytlichen Nutzen, sondern deren ewiges Seelenheyl im Auge habend, sich aufmachen. Wir loben es, dasz diejenigen Brueder, die mit der Erwartung auf Nachschub in die Laender jenseyts des Meeres geschickt werden, diejenigen, die sich auf Dauer dem Orden des gleyszenden Lichts verbinden wollen, aufnehmen nach diesem Brauch, dasz in Gegenwarth des Churabts jener Provinc beide zusammenkommen und der Churabt den Willen des Bewerbers vernimmt. Nach angehoerter Bitte schicke ihn der Bruder zum Abt und zu den Bruedern, die beim Tempel, der in Lynsbrunn iszet, weylen, und wenn das Leben des Betreffenden ehrenhaft und wuerdig einer solchen Berufung iszet, soll er gnaedig aufgenommen werden, wenn es dem Abt und den Bruedern guth erscheynet. Sollte er unterdessen aber wegen der Entbehrung und vor Erschoepfung sterben, soll ihm wie einem von den Bruedern die ganze Wohltath und Bruederlichkeyt der Armen gewaehret werden.
LIX. Vom zu erhaltenden Zehnten.
Wir halten naemlich dafuer, dasz ihr dem Zustrom von Reychtuemern entsaget und euch freiwillig der Armut unterworfen habt. Daher legen wir dar, dasz ihr, die ihr ein gemeynsames Leben fuehret, gerade zu Recht den Zehnten haben duerft. Wenn einer, der Churaebte der Ecclesia, dem rechtens der Zehnte zusteht, diesen euch gnadenhalber schencken will, so soll er ihn euch mit der Zustimmung seines allgemeinen Capitels von jenen Zehnten, welche offensichtlich der Ecclesia zustehen, uebergeben. Wenn aber irgendein Laie bis jetzt jenen, der Ecclesia zustehenden Zehnten aus seinem Erbteyl auf zu miszbilligende Weise einbehalten hat und, sich damit selber Luegen strafend, ihn euch ueberlaszen will, kann er dies mit Einwilligung des Churabtes allein ohne Zustimmung des Capitels thun.
LX. Von leichten und schweren Vergehen.
Wenn irgendein Frater oder Laienbruder im Reden oder im Dienste oder auf andere Weise sich ein leichteres Vergehen zuschulden kommen laeszt, soll er von selbst seinen Fehler, um ihn gutzumachen, dem Abt bekennen; wenn es eines von den leichteren Vergehen ist, die ihm nicht zur Gewohnheyt geworden sind, soll er eine leychte Busze erhalten. Wenn aber seine Schuld, von ihm verschwiegen, durch irgendeinen anderen bekannt wird, soll er einer groeszeren und einleuchtenderen Zuchtmasznahme und Strafe verfallen. Wenn allerdings sein Vergehen schwer iszet, soll er von der Gemeinschaft der Brueder ferngehalten werden, indem er nicht mehr mit ihnen zugleich am selben Tische esse, sondern seine Mahlzeyten allein einnehme, und sich voellig der Gnade und dem Urtheyl des Abtes unterwerfe, um am Tage des Hoechsten Gerichts heyl vor Acrulon zu bestehen.
LXI. Durch welche Schuld ein Bruder nicht laenger im Orden behalten werden kann.
Vor allen Dingen ist darauf zu sehen, dasz kein Bruder, sei er maechtig oder nicht maechtig, starck oder schwach, der sich ueberhebe und allmaehlich uebermuetig werden und seine Schuld verteydigen wolle, ungestrafet bleybe; wenn er sich aber nicht bessern will, soll ihn eine schaerfere Strafe treffen. Wenn er allerdings trotz der guetigen Ermahnungen und der fuer ihn ausgebreiteten Gebete nicht gewillt iszet sich zu bessern, vielmehr sich in seinem Stolze mehr und mehr steigert, dann soll er aus der frommen Gemeynschaft ausgestoszen werden, nach dem Worth des ewig Strafenden: ‚Schafft den Uebelthaeter aus eurer Mitte‘. Es iszet notwendig, dasz das raeudige Schaf aus der Gemeynschaft der treuen Brueder entfernt wird. Im uebrigen moege der Abt, der den Stab und die Rute in seiner Hand zu halten hat, den Stab naemlich, um damit die schwachen Craefte der anderen zu stuetzen, die Rute fuerwahr, um damit im Eyfer fuer das Rechte die Laster der Schuldigen zu zuechtigen, er moege danach trachten, dies mit dem Rath des Vocatus Prior und mit geystlicher Erwaegung zu thun, damit, wie der heylige Maximus sagt, weder die nachlaeszige Milde ein Festhalten am Sichvergehen ermoegliche, noch uebermaeszige Strenge den Frevler nicht vom erneuten Fall abbringe.
LXII. Zu welcher Zeyt die Brueder leinene Hemden benutzen koennen.
Unter anderem erwaegen wir gerade wegen der Groszen Hitze im Gebiete des Suedens Orients aus Mitleyd, dasz vom Feste des heyligen Severus bis zum Feste der groszen Mahnungen einem jeden ein leinenes Hemd, nicht aus Verpflichtung, sondern alleine aus Gnade, gegeben werde - naemlich nur dem, der es gebrauchen will -, waehrend zur anderen Zeyt alle grundsaetzlich wollene Hemden haben sollen.
LXIII. In welchem Bettzeug sie schlafen sollen.
In gemeynsamen Beschlusze bekraeftigen wir, dasz jeder im Dormitorium allerdings in seinem eigenen Bette schlafe und nicht anders, auszer es trifft ein sehr wichtiger Grund oder Notwendigkeyt zu. Eine Bettstatt oder Matratze soll nach der besonnenen Verwaltung des Abtes jeder besitzen. Wir sind der Ansicht, dass nach dem Strohsack ein Keilkissen und eine Zudecke jedem genuege. Wer aber auf eines von diesen verzichtet, soll ein schlichtes Betttuch haben und jederzeyt wird es guth sein, sich einer Leinen- oder Tuchdecke zu bedienen. Die Brueder sollen immer mit Hemd und Hose bekleydet schlafen. Den schlafenden Bruedern soll gleichfalls bis zum Morgen niemals eine Leuchte fehlen.
LXIV. Vom zu meidendem Murren.
Wir gebieten auch durch heylige Ermahnung, Eifersuechteleyen, Miszegunst, Neyd, Murren, Ohrenblaeserey und Herabsetzung zu meiden und gleichwie eine Pest zu fliehen. Ein Jeder soll folglich mit wachsamen Herzen danach trachten, dasz er seinem Bruder nicht heimlich beschuldige oder tadele, vielmehr jenes Worth des heyligen Severus sorgfaeltig bey sich beherzige: ‚Sey kein Verleumder und Einfluesterer im Volck‘. Wenn freylich ein Bruder zuverlaessig in Erfahrung gebracht hat, dasz ein anderer Bruder gefehlt hat, soll er friedfertig und mit bruederlicher Guethe entsprechend dem Gebote des Hoechsten Herrn unter vier Augen jenen allein zurechtweysen. Wenn dieser ihn nicht anhoert, soll er einen weiteren Bruder herbeyziehen. Wenn der zu tadelnde Bruder aber beide zurueckweyst, soll er im Convent oeffentlich vor allen ermahnt werden. Von Groszer Blindheyt sind naemlich die, die andere Menschen herabsetzen, und ueberaus ungluecklich die, dich sich selbst sehr wenig vor Neyd hueten, womit sie in die alte Schlechtigkeyt des verschlagenen Feindes versinken.
LXV. Sie sollen einem weltlichen Weybe nicht ins Angesicht schauen.
Wir halten dafuer, dasz es einem jeden Bruder gefaehrlich iszet, das Angesicht eines weltlichen Weybes zu sehr zu betrachten, und daher nehme sich keiner von den Bruedern heraus, eine Witwe, eine Jungfrau, seine Mutter, seine Schwester, seine Tante oder irgendein anderes weltliches Weyb zu kueszen oder ihr zu lange in die Augen zu schauen, vielmehr sencke er den Blick, wenn es noetig iszet mit einem Weybe zu sprechen oder wende sich ab. Die Fraternitas soll also Frauenkuesze fliehen, durch welche die Maenner oefters in Gefahr zu kommen pflegen, damit sie mit reinem Gewissen und in sicherem Leben allezeyt im Angesicht Acrulons zu verbleyben imstande sind.
LXVI. Von den Vorschriften.
Alle obigen Vorschriften und alles, was in dieser Regel geschrieben steht, wird dem Belieben und dem Willen des Abtes anheym gestellet.
Im Namen Acrulons, des Hoechsten Koenigs der Welten, Richter und Urtheyler ueber Leben und Sterben zu allen Tagen und Naechten, ihm zu Ehren und zu Gewiszen. Auf allen Wegen. Ruhm dem Gerechten! So sey es!